𝕊𝕡𝕠𝕚𝕝𝕖𝕣𝕗𝕣𝕖𝕚𝕖 ℝ𝕖𝕫𝕖𝕟𝕤𝕚𝕠𝕟
Als ich das Buch aufschlug, wusste ich, dass es keine leichte Geschichte werden würde – aber ich hätte nicht gedacht, dass sie mir so unter die Haut geht. Mit dir steht die Welt nicht still ist keine klassische Liebesgeschichte, sondern vielmehr ein leises, tief empfundenes Echo aus einer Zeit, in der Hoffnung ein mutiger Akt war.
Nanette und John begegnen sich zufällig – zumindest aus ihrer Sicht. Für ihn ist es sofort klar: Diese Frau ist etwas Besonderes. Was sich daraus entwickelt, ist eine zarte, verletzliche Annäherung zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch eine Sprache finden – die der Briefe. Und genau diese Briefe sind es, die das Buch für mich so besonders machen. Die Worte, die sie wählen, die Unsicherheiten, das vorsichtige Tasten in einer Welt nach dem Grauen – das wirkt alles unglaublich authentisch.
Was mich besonders bewegt hat, war Nanettes Hintergrund. Ihre Freundschaft zu Anne Frank, ihre Zeit in Bergen-Belsen, das Überleben, das eigentlich keines ist, sondern ein mühsames Weiterleben mit Erinnerungen, die kaum zu ertragen sind. Melissa Müller gelingt es, all das ohne Pathos, aber mit großer Empathie zu erzählen. Ich hatte oft das Gefühl, dass ich direkt neben Nanette sitze, wenn sie ihre inneren Kämpfe ausfocht.
Warum also keine fünf Sterne? Vielleicht, weil mir stellenweise der literarische Feinschliff gefehlt hat. Manche Passagen hätten etwas kompakter sein dürfen, einige emotionale Momente wirken leicht wiederholt – als wolle die Autorin sicherstellen, dass man das Gewicht der Geschichte auch wirklich spürt. Das tut man aber ohnehin. Und zwar lange über das letzte Kapitel hinaus.
Am Ende ist es ein stilles Buch mit großer Wirkung. Es zeigt, dass Liebe kein Allheilmittel ist – aber sie kann ein Anfang sein. Und manchmal reicht das, um weiterzumachen.
Fazit: Bewegend, nachdenklich, hoffnungsvoll – ein Buch, das keine falschen Versprechungen macht, aber echte Nähe schafft.
Rezension von Silvana