𝕊𝕡𝕠𝕚𝕝𝕖𝕣𝕗𝕣𝕖𝕚𝕖 ℝ𝕖𝕫𝕖𝕟𝕤𝕚𝕠𝕟
Wenn ich ehrlich bin, hatte ich beim Titel zuerst ein leicht spöttisches Lächeln auf den Lippen – Thomas Mann macht Ferien klingt fast wie ein literarischer Abenteuerurlaub. Und genau das ist es auch irgendwie, nur eben auf ganz eigene, feinsinnige Weise. Kerstin Holzer nimmt einen mit an den Tegernsee des Jahres 1918, in eine Zeit, in der die Welt aus den Fugen gerät – während im kleinen Ferienhaus der Familie Mann scheinbar alles seinen gemächlichen Lauf nimmt.
Was mich sofort gepackt hat, ist die Atmosphäre. Dieses Buch riecht förmlich nach warmem Holz, nach See und Heu, nach altem Europa im Ăśbergang. Man hört die Kinder lachen, sieht Thomas Mann mit steifen Bewegungen durchs Gras stapfen – und spĂĽrt gleichzeitig, wie sehr die Geschichte unter der Oberfläche brodelt. Die Autorin schafft es mit feinem Humor und einem Hauch Melancholie, ein Panorama dieser Monate zu zeichnen, das ebenso leichtfĂĽĂźig wie nachdenklich ist.
Besonders gefallen hat mir, wie Holzer Thomas Mann nicht verklärt, sondern mit liebevoller Ironie zeigt: Hier ringt ein groĂźer Geist mit banalen Alltagssorgen – Zahnschmerzen, Familienzank, kreative Blockaden. Dass nebenbei Weltgeschichte passiert, macht die Szenerie nur noch spannungsvoller. Der Kontrast zwischen innerer Zerrissenheit und äuĂźerem Idyll ist groĂźartig getroffen.
NatĂĽrlich darf auch Bauschan nicht fehlen – der berĂĽhmte Hund, der so treu im Schatten liegt, während sein Herrchen ihn zur literarischen Figur macht. Solche kleinen Details geben dem Buch eine Lebendigkeit, die mir sehr gefallen hat. Es liest sich leicht, aber nie oberflächlich.
Warum keine vollen fĂĽnf Sterne? An wenigen Stellen hätte ich mir noch etwas mehr Tiefe in der psychologischen Zeichnung gewĂĽnscht. Gerade gegen Ende hätte das Porträt Manns noch eine Nuance dunkler sein dĂĽrfen, denn die Verwerfungen dieser Zeit spĂĽrt man zwar – sie bleiben aber gelegentlich im Hintergrund, wo sie ruhig mal etwas mehr an die Oberfläche hätten drängen dĂĽrfen.
Trotzdem: ein wunderschönes, kluges Buch ĂĽber einen Sommer, der mehr war als nur Ferienzeit. Eine LektĂĽre fĂĽr alle, die Geschichte durch die HintertĂĽr erleben wollen – literarisch, leichtfĂĽĂźig, aber mit Tiefe. Ich hab es sehr genossen.
Rezension von Silvana